So wahr mir Gott helfe by Lescroart

So wahr mir Gott helfe by Lescroart

Autor:Lescroart
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-11-15T00:00:00+00:00


DRITTER TEIL

22

Der Sommer in San Francisco ist windig, rauh und feucht, obwohl es selten regnet. Im Spätsommer, der von Ende August bis Ende Oktober dauert, sind die Tage warm, der Himmel ist blau, und es weht nur eine leichte Brise. Das restliche Jahr über hängt Nebel über der Küste, der sich im Landesinneren am Nachmittag lichtet, die Temperaturen liegen um die fünfzehn Grad, und der Wind ist ziemlich kräftig.

Als Hardy kurz nach sechs auf dem Wohnzimmersofa der Cochrans erwachte, wurde ihm klar, daß heute das restliche Jahr begonnen hatte. Benommen setzte er sich auf. Es war schon eine Weile her, daß er zum letztenmal auf einem fremden Wohnzimmersofa übernachtet hatte. Die Morgendämmerung stahl sich durch die Jalousien, und er erkannte am Licht, daß es draußen neblig war. Er stieß einen unwillkürlichen Seufzer aus.

Zehn Minuten später saß er im Auto. Die Scheinwerfer der anderen Wagen durchdrangen nur mühsam den Nebel. Ihm stand wieder ein langer Tag bevor, und er brauchte dringend saubere Kleider und eine Dusche. Natürlich war Erin schon wach gewesen und hatte in der Küche Kaffee gemacht. Hardy hatte ihr gesagt, er werde nach Hause fahren, den Anrufbeantworter abhören, sich waschen und zurücksein, bevor die Kinder aufstanden.

Als er von der Geary Street in seine Straße einbog, wurde er jedoch von einer unheilvollen Vorahnung ergriffen. Seit fast dreißig Jahren wohnte er hier, und die Gegend war ihm vertraut. Aber irgend etwas stimmte heute morgen nicht. Obwohl er sein Haus wegen des Nebels noch nicht erkennen konnte, schwante ihm Übles. Weiter vorne in der Straße bemerkte er einen flackernden, roten Lichtschein. Hardy nahm den Fuß vom Gas, spähte angestrengt vorwärts und fuhr – entschlossen und widerstrebend zugleich – weiter.

Bald tauchten vor ihm aus dem Nebel langsam die Umrisse eines Alptraums auf: Drei Löschzüge parkten auf der Straße. Ihre Schläuche lagen im Rinnstein wie vollgefressene Schlangen. Dazu zwei schwarzweiße Streifenwagen – daher also das rote Flackern: Sie hatten die Signalbeleuchtung eingeschaltet. Ein halbes Dutzend uniformierter Männer stand auf dem Gehweg, dem Rasen und der Straße vor dem Haus herum.

Wie ferngesteuert stellte Hardy sein Auto ordentlich am Randstein ab und versuchte, das Entsetzen zu unterdrücken, das sich in ihm breitmachte. Beim Aussteigen hörte er das knackende Geräusch von Funkgeräten und vielleicht auch von glühendem Holz.

Er fühlte sich wie in einem Traum, als er vor der immer noch rauchenden Ruine stehenblieb, die seit über zwanzig Jahren sein Zuhause gewesen war. Der weiße Lattenzaun war von den mit Ausrüstungsgegenständen beladenen Feuerwehrleuten niedergetrampelt worden. Der ehemals liebevoll gepflegte kleine Vorgarten hatte sich in eine mit verkohlten Holzbalken übersäte Schlammgrube verwandelt. Die vordere Veranda war verschwunden. Dahinter gähnte das verwüstete Wohnzimmer ins graue Morgenlicht. Der Kaminsims zerschmettert, die schöne Eßzimmergarnitur aus Kirschholz ein Trümmerhaufen.

Inzwischen stand er auf seinem Grundstück.

»Sir?« Ein Mann mit weißem Helm stellte sich ihm in den Weg. »Tut mir leid, aber Sie können nicht …«

»Ich wohne hier«, entgegnete Hardy. »Das ist mein Haus.«



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